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Unsere Forschung

Weltweit gibt es etwa 3700, hierzulande wohl 50 Stechmückenarten. Trotz dieser Vielfalt und der direkten Interaktion mit dem Menschen wissen wir nicht genug über Vorkommen, Verbreitung und Biologie der verschiedenen Arten in Deutschland. Denn Stechmücken sind nicht nur lästig, sondern teilweise auch in der Lage, Krankheitserreger zu übertragen.

Klimawandel und Globalisierung begünstigen die Einschleppung nicht-heimischer – sogenannter invasiver – Arten, die Überträger von Krankheitserregern sein können. Mit dem „Mückenatlas“ und anderen Fangaktivitäten der Forschungsgruppe sammeln wir kontinuierlich möglichst viele Mücken von verschiedenen Standorten. Wir möchten wissen, wo und wann welche Stechmückenarten in Deutschland vorkommen, ob diese Krankheitserreger weitergeben können und welche nicht-einheimischen Arten bereits hier existieren.

Was passiert mit den eingesandten Mücken?

Sobald uns die Einsendungen zusammen mit dem Formular erreichen, bestimmen unsere Experten die Mückenart morphologisch, das heißt anhand des äußeren Erscheinungsbildes. Das ist gar nicht so einfach, denn viele Mücken ähneln sich und sind nur durch feine Merkmale, wie die Anzahl, Form und Farbe bestimmter Schüppchen und Borsten, zu unterscheiden. Bei den ganz schwierigen Fällen oder bei nicht-einheimischen Stechmücken bestimmen wir die Art anhand einer genetischen Analyse.

Ist das Tier von uns bestimmt, erhält der Einsender ein Antwortschreiben mit Informationen zur Biologie und Art der gefangenen Mücke. Wenn gewünscht, wird zusammen mit dem Mückenfang auf der „Karte der Sammler“ auch der Mückenjäger genannt. Wissenschaftlich relevante Daten zur Einsendung, wie Art, Fangdatum und -ort, fließen in die deutschlandweite Stechmücken-Datenbank, Culbase, ein. Auf die Culbase können langfristig Forscher und Entscheidungsträger zurückgreifen, um sich über den aktuellen Stand der Verbreitung von Stechmücken zu informieren und Risikoanalysen für Deutschland zu erstellen.

Ein großer Teil der eingesandten Tiere wird aufbewahrt, entweder tiefgekühlt als genetische Sammlung (DNS) am Friedrich-Loeffler-Institut oder „genadelt“ in der Referenzsammlung des ZALF, die schon mehr als 200 000 Exemplare von in Deutschland gesammelten Stechmücken umfasst.

Eine Liste mit ausgewählten Publikationen finden Sie hier.

Stechmücke
Foto Mitarbeiter
Foto: Zalf

Der Mückenatlas als Citizen Science-Projekt

Das Projekt „Mückenatlas“ ist ein typisches Citizen Science-Projekt, in dem interessierte und engagierte Bürger helfen, wissenschaftlich verwertbare Daten zu erheben. Sie sammeln und verschicken Mücken, die von Spezialisten für die wissenschaftliche Auswertung aufgearbeitet werden und zur Weiterentwicklung von Forschungsthemen beitragen. Die Bearbeitung des Untersuchungsmaterials liegt beim „Mückenatlas“ ausschließlich in den Händen der Wissenschaftler, so dass eine lückenlose Qualitätssicherung gewährleistet ist.

Durch diese Herangehensweise gewinnen beide Seiten des Projektes. Einerseits bringen sich Bürger aktiv in die Forschung ein und erhalten im Gegenzug Detailinformationen über die Biodiversität, Ökologie und Biologie der blutsaugenden Insekten. Die Forschung gewinnt ihrerseits wesentliche Datensätze, beispielsweise zur Erstellung von Verbreitungskarten der einzelnen Arten. Notwendige weiterführende Forschungsschwerpunkte sind auf dieser Grundlage leichter zu definieren.

Zum Erfolg wird der Mückenatlas durch das hohe Engagement auf allen Seiten und die Bereitschaft zu einer Kommunikation, die sich auf drei weitere Erfolgspfeiler stützt: Dialog auf Augenhöhe, Relevanz und Transparenz der Informationen.

Citizen Science, übersetzt „Bürgerwissenschaften“, ist die Durchführung von wissenschaftlichen Projekten mithilfe von interessierten Amateuren aus der Bevölkerung. Diese „Citizen Scientists“ beobachten, hinterfragen, messen, analysieren Daten oder schreiben Artikel, meist in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern, aber auch in eigenständigen Projekten ohne Anschluss an Forschungsinstitutionen. So werten interessierte Bürger Sternenbilder aus, entziffern antike Dokumente, zählen Vögel – oder fangen Mücken!

Bevor sich der Berufsstand des Wissenschaftlers in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts etablierte, wurde Forschung vor allen Dingen von eher privilegierten Bürgern mit hohem Bildungsgrad betrieben. Charles Darwin ist eines der bekanntesten Beispiele – denn er war eigentlich studierter Theologe und hatte Naturwissenschaften nur in einigen Nebenkursen belegt. 

Heute ist es mehr Menschen als je zuvor möglich, sich an der Wissenschaft zu beteiligen. Durch die Digitalisierung, etwa die „Open Access“-Bewegung oder die weitreichenden Funktionalitäten des Smartphones, ist die Anzahl der Citizen Science-Aktivitäten in der Forschung in den letzten zwei Jahrzehnten rasant gestiegen. So führen die Bürgerwissenschaften nicht nur zu einer Demokratisierung und Transparenz der Forschung, sondern auch zu einem verstärkten und neuartigen Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Mehr zum Hintergrund und zu Citizen Science-Projekten in Deutschland erfahren Sie unter https://www.buergerschaffenwissen.de.

Illustration einer Fliege

Verbreitungskarten – Stechmücken und wo sie zu finden sind

Mit wissenschaftlicher Gründlichkeit untersuchen wir die eingesammelten Tiere und versuchen anhand der gewonnenen Daten, Erkenntnisse abzuleiten. Daher kann es länger dauern, bis wir Ergebnisse unserer Forschung anderen Wissenschaftlern und der Öffentlichkeit mitteilen.

Eines unserer wichtigsten Ziele ist es, aussagekräftige Verbreitungskarten für einzelne Arten zu erstellen. Da Stechmückenpopulationen von Klimaschwankungen und anderen Umweltveränderungen beeinflusst werden, sammeln wir regelmäßig Daten – über Jahre hinweg.

In der dargestellten Karte ist die Verbreitung der Asiatischen Buschmücke (Aedes japonicus) abgebildet. Die Karte links vom Schiebregler enthält die Daten von 2012 und die Karte rechts davon alle Daten bis 2022. Die Abbildung zeigt insofern die geografische Ausbreitung dieser invasiven Stechmückenart kurz nach Ihrem Erstnachweis in Deutschland bis zum Jahr 2022.

Auf den Internetseiten des Friedrich-Loeffler-Instituts finden Sie eine aktuelle Verbreitungskarte zur Asiatischen Tigermücke (Aedes albopictus).

20122022
Nachweise der Asiatischen Buschmücke (Aedes japonicus) in Deutschland 2012 und im Vergleich die Entwicklung bis 2022. Die Nachweise per Mückenatlas sind in diesen Karten durch einzelne Nachweise aus Larvalsammlungen ergänzt, um ein vollständigeres Bild der Artverbreitung zu präsentieren.
© GeoBasis-DE / BKG (2022)

Weitere Verbreitungskarten

Nachweise einiger West-Nil-Virus-Überträger für den Zeitraum 2012-2022. © GeoBasis-DE / BKG (2022)

Dem West-Nil-Virus auf der Spur

Vermutlich durch die langanhaltenden, hohen Temperaturen wurde 2018 das West-Nil-Virus (WNV) zum ersten Mal in Deutschland mit Infektionen bei Vögeln und Pferden nachgewiesen. In den ähnlich heißen Spätsommern 2019 und 2020 wurden zusätzlich Fälle beim Menschen verzeichnet. Seitdem ist das Virus in Deutschland heimisch und wurde jährlich bei Vögeln, Pferden, Menschen und z.T. auch Stechmücken nachgewiesen.

Zu den wichtigsten Stechmückenarten, die das Virus hierzulande übertragen können, gehören diejenigen des Culex pipiens-Komplexes (bestehend aus den Arten Culex pipiens und Culex torrentium), Culex modestus, Aedes vexans und Aedes japonicus. Zahlreiche Einsendungen dieser Arten an den Mückenatlas bilden die Grundlage für aktuelle Verbreitungskarten, mit denen das Risiko einer West Nil-Virus-Übertragung oder -Epidemie für die verschiedenen Regionen Deutschlands viel besser eingeschätzt und entsprechende Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden können.

Weitere Informationen zum Thema finden Sie in dem News-Artikel vom 18. September 2020 „Aus der Forschung: Mit Mückenatlas-Daten dem West-Nil-Virus auf der Spur“ oder klicken Sie hier.

Illustration einer Fliege

Über Stechmücken

Die weltweit etwa 3700 Stechmückenarten kommen in nahezu allen geographischen Regionen vor, von den Tropen bis zur Arktis, und sind noch in Bergregionen über 3000 Meter zu finden. Stechmücken gehören zu den Insektengruppen mit vollständiger Entwicklung (holometabol). Die Larve sieht anders aus, besetzt einen anderen Lebensraum und ernährt sich anders als das ausgewachsene Insekt (Imago).

Die Larven leben meist in stehenden Gewässern und vertilgen Mikroorganismen und kleinste organische Substanzen. In etwa zwei Wochen durchläuft die Mücke vier Larvenstadien, bevor sie sich zur Puppe häutet. Die Puppe kann sich bewegen, nimmt aber keine Nahrung mehr zu sich. Nach einigen Tagen schlüpft die flugfähige Mücke, und schon bald darauf kommt es zur Begattung. Bei den meisten Arten braucht das Weibchen eine Blutmahlzeit, um nach einigen Tagen bis zu 300 Eier abzulegen.

Für jedes nächste Gelege benötigt das Mückenweibchen wieder Blut, bis es nach etwa vier bis sechs Wochen stirbt. Natürlich gibt es auch zahlreiche Abweichungen von diesem generellen Entwicklungszyklus, abhängig von der Art und von Umweltfaktoren wie etwa der Temperatur.

Abbildung: Mariana Ruiz Villarreal

Schon lange sind Stechmücken als Überträger zahlreicher Krankheitserreger bekannt. Doch welche Mückenart welchen Erreger übertragen kann, ist bis heute nicht abschließend geklärt. Diese Frage hat in den letzten Jahren wieder an Relevanz gewonnen: Ausbrüche und lokale Einzelfälle von Krankheiten wie Chikungunya, Dengue, Malaria und Westnil-Fieber traten vermehrt in Südeuropa auf, und das Zika-Virus erlangte 2016 in Südamerika traurige Berühmtheit. Die Erkenntnis, dass auch Mitteleuropa nicht vor dem Ausbruch vermeintlich tropischer Krankheiten geschützt ist, brachte die Stechmücken wieder auf die Forschungsagenda. Deswegen untersuchen wir zusätzlich zur Verbreitung auch, ob die eingeschleppten und heimischen Mückenarten Krankheitserreger übertragen können.

Stechmücken sind aber nicht per se mit Krankheitserregern infiziert. Erst beim Blutsaugen an einem Wirt, der Krankheitserreger in sich trägt, können sich die Mückenweibchen anstecken. Beim nächsten Saugakt geben sie diesen Erreger dann möglicherweise weiter. Solche Infektionsquellen, also Wirte mit Krankheitserregern, sind in Europa und Deutschland äußerst selten. Dadurch ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Mücken infizieren, sehr gering – aber nicht gleich Null.

Nicht-heimische Stechmücken erobern neue Lebensräume, so auch in Europa und Deutschland. Einige Arten werden zum Beispiel als Eier oder Larven durch den internationalen Handel, etwa mit Gebrauchtreifen oder Glücksbambus, eingeschleppt.

Seit 2004 sind in Deutschland fünf invasive Stechmücken-Arten nachgewiesen und zum Teil auch heimisch geworden: Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus), Asiatische Buschmücke (Aedes japonicus), Aedes koreicus, Culiseta longiareolata und Anopheles petragnani.

Die Tigermücke (Aedes albopictus), Culiseta longiareolata und Anopheles petragnani sind eher wärmeliebende Arten und gelangten vermutlich aus dem Mittelmeerraum nach Deutschland. Culiseta longiareolata und Anopheles petragnani sind in Südeuropa heimisch, haben sich aber bereits in Süddeutschland niedergelassen.

Die Tigermücke ist in Südeuropa mittlerweile ebenfalls weit verbreitet, kommt aber ursprünglich aus dem asiatisch-pazifischen Raum. In Deutschland beobachten wir, dass Tiere zunehmend mit dem Fernverkehr aus dem Süden eingeschleppt werden. An einigen sehr begrenzten Orten in Deutschland gelang es der Tigermücke schon, sich anzusiedeln. Um sie zu beseitigen und eine Ausbreitung zu verhindern, wird sie dort aktiv bekämpft.

Bei der Asiatischen Buschmücke und Aedes koreicus handelt es sich um Arten aus dem ostasiatischen Raum. Sie sind an ein gemäßigtes Klima wie in Deutschland gut angepasst. Während von Aedes koreicus erst wenige Exemplare hierzulande gefunden wurden, breitet sich die Asiatische Buschmücke seit einigen Jahren stark aus und ist schon in weiten Teilen Deutschlands verbreitet.

Warum stechen Mücken?

Stechmücken ernähren sich in beiden Geschlechtern von zuckerhaltigen Pflanzensäften. Zur Eireifung benötigt das Weibchen allerdings eine proteinreiche Ernährung, die es sich holt, indem es Blut saugt. Nicht alle Mücken stechen bevorzugt den Menschen – viele saugen lieber an anderen Wirbeltieren, wie Vögeln oder sogar Reptilien und Amphibien. Stechmücken-Männchen saugen niemals Blut.

Was passiert beim Mückenstich?

Mit einem hochspezialisierten Stechrüssel, der sich aus verschiedenen lanzettartigen Werkzeugen zusammensetzt, sticht die Mücke in feine Blutgefäße in der Haut – vorzugsweise in der Dämmerung oder nachts. Sie saugt aber nicht nur Blut, sondern gibt auch Speichel ab. Substanzen im Speichel erweitern die Blutgefäße, hemmen die Blutgerinnung und betäuben. Erst nach dem Stich erkennt das Immunsystem den Speichel und löst eine Gegenreaktion aus: Quaddeln und Jucken. Mit dem Speichel können Krankheitserreger übertragen werden, falls die Mücke infiziert war.

Wie schützt man sich vor Mücken?

Lange, dickere Kleidung, Mückenschutz (Repellentien) und Moskitonetze sind bewährte Mittel, um sich auch im Sommer bei Schwüle, in feuchten Wäldern, in der Dämmerung und nachts im Freien aufhalten zu können. Falls Sie im Garten oder Wohnbereich von Mücken geplagt werden, sollten Sie Regentonnen oder ähnliche Gefäße mit Wasser im Garten abdecken, um die Blutsauger nicht selbst zu züchten. Weil die Larven sich über längere Zeit entwickeln, reicht es auch, alle Wassergefäße im Garten einmal pro Woche zu entleeren.

Was kann man gegen Mückenstiche tun?

Oberstes Gebot ist: nicht kratzen! Durch das Kratzen verlängert sich nicht nur der Heilungsprozess, sondern es kann auch zu bakteriellen Infektionen kommen, die sich zu Entzündungen entwickeln können. Durch Einreiben mit alkoholischen Lösungen kann man die Stichwunde desinfizieren. Kühlung und punktuelle Hitze helfen, den Juckreiz zu unterdrücken.