West-Nil-Virus in Deutschland
Das West-Nil-Virus (WNV) konnte 2018 zum ersten Mal in Deutschland mit Infektionen bei Vögeln und Pferden nachgewiesen werden. Das Virus zirkuliert zwischen Vögeln und Stechmücken, beide können sich gegenseitig infizieren. Menschen oder Pferde sind auch empfänglich, entwickeln aber eine zu geringe Anzahl an Viruspartikeln im Blut, um das Virus wieder an Stechmücken weitergeben zu können. Eine Ansteckung führt bei etwa einem Fünftel der Menschen zu grippeähnlichen Symptomen, nur sehr wenige, meist ältere Personen, können einen schweren Krankheitsverlauf aufweisen.
Das Auftreten des WNV, das sich im Wesentlichen auf den Osten der Republik konzentrierte, war vermutlich auf die hohen Temperaturen über längere Zeiträume im Jahr 2018 zurückzuführen. Im ähnlich heißen Sommer 2019 Jahr wurden erneut Fälle bei Vögeln, Pferden und Menschen bekannt, mit einem Hotspot in Berlin, insbesondere mit vielen infizierten Vögeln im ansässigen Tierpark. Das Virus selbst konnte u.a. in dort gefangenen Stechmücken des Artkomplexes Culex pipiens nachgewiesen werden, und der Verdacht besteht, dass das Virus in diesen Stechmücken von 2018 auf 2019 überwintern konnte.
Stechmücken als Überträger des Virus
Stechmücken des Culex pipiens-Komplexes („Hausmücke“) sind nicht nur kompetente Überträger des WNV, sondern auch weit verbreitet und sehr häufig. Zu diesem Artkomplex gehören in Mitteleuropa Culex torrentium und Culex pipiens mit den beiden Biotypen pipiens und molestus, die sich oftmals nur durch eine DNA-Sequenzierung differenzieren lassen, aber unterschiedliche ökologische Verhaltensweisen zeigen, z. B. von welchem Wirt – Mensch oder Vogel – sie lieber Blut saugen. Es gibt auch Hybride der beiden Culex pipiens-Biotypen, die eine wichtige Rolle im Infektionsgeschehen des Virus spielen, da sie gleichermaßen gern von Vögeln und Menschen ihre Blutmahlzeit einnehmen und dabei das Virus übertragen. Zu den wichtigsten weiteren Stechmücken, die das Virus übertragen können, gehören die heimischen Arten Aedes vexans und Culex modestus sowie die invasive Art Aedes japonicus (Asiatische Buschmücke).

Verbreitungskarten der WNV-Überträger Culex modestus (oben links), Culex torrentium (oben rechts), Culex pipiens (unten links) und Aedes vexans (unten rechts).
So hilft der Mückenatlas
Durch den Mückenatlas bekommen wir seit 2012 zahlreiche Einsendungen der oben genannten Arten und können in Verbindung mit weiteren Datensammlungen Verbreitungskarten für jede dieser Stechmückenarten erstellen (siehe Abbildung). Diese Informationen sind für die Forschung zum WNV äußerst wertvoll, denn so können das Risiko einer Übertragung oder Epidemie für die verschiedenen Regionen viel besser eingeschätzt und Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden, wie etwa ein verstärktes Stechmücken-Monitoring und ein Pathogen-Screening, in dem gefangene Stechmücken auch auf das Virus hin überprüft werden. Außerdem kommen die meisten Einsendungen des Mückenatlas aus den Innenräumen der Teilnehmenden und sind somit insbesondere relevant für die Entdeckung von Brennpunkten sowie zur Risikoabschätzung in urbanen Gebieten.
Nach wie vor zählt beim Mückenatlas jede Mücke, um die Verbreitungskarten so detailliert wie möglich zu machen, denn es ist zu befürchten, dass mit weiteren heißen Sommern in den nächsten Jahren das WNV auch zukünftig für Infektionen bei Mensch und Tier sorgen und sich möglicherweise auch über die bekannten Brennpunkte wie Berlin hinaus ausbreiten wird. Bitte senden Sie uns daher auch weiterhin Stechmücken zu!
Originalpublikation: Kampen H, Holicki CM, Ziegler U, Groschup MH, Tews BA, Werner D. West Nile Virus Mosquito Vectors (Diptera: Culicidae) in Germany. Viruses. 2020;12(5):493. Veröffentlicht: 2020 April 28. doi:10.3390/v12050493 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7290393/pdf/viruses-12-00493.pdf